Nachdem bekannt wurde, dass sich die Stadt Wien wegen Liquiditätsproblemen der Wiener Energie an den Bund gewandt hatte, forderten die Wiener Oppositionsparteien Aufklärung. Sowohl die Wiener ÖVP als auch die Grünen beriefen am Montagmorgen spontan Pressekonferenzen ein. Der Kern des Problems ist ihrer Meinung nach die fehlende Kontrolle über das städtische Unternehmen Wien Energie. Weil Wien Energie als Tochtergesellschaft der Wiener Stadtwerke nicht den Kontrollrechten des Gemeinderates unterliege, kritisierte der Obmann des Wiener Vereins ÖVP Markus Wölbitsch. Es ist ungeheuerlich, aus den Medien erfahren zu müssen, dass die Stadt Wien der Wien Energie bereits gewisse Garantien gegeben hat, den Handel an den Strombörsen fortzusetzen. Wölbitsch bat die Wiener Regierung um alle “Zahlen, Fakten und Fakten” zur Sache. ÖVP-Wirtschaftssprecher Manfred Juraczka kritisierte scharf den zuständigen Wirtschaftsberater Peter Hanke, der beim am Sonntag einberufenen Energiegipfel nicht im Kanzleramt erschien und offenbar auch keinen Vertreter entsandte. „Wo ist Bürgermeister Ludwig? Wo ist Ratgeber Hanke?’ Hankes Abwesenheit beim Gipfel im Bundeskanzleramt verärgerte auch die Wiener Grünen, die ein „mangelndes Krisenmanagement“ feststellten. Wenn die Bundesregierung in letzter Minute eingreifen müsse, „würde man damit rechnen, dass sie die Sonntagspause brechen könnte“, sagte Peter Kraus, Chef der Grünen in Wien, in Hankes Richtung.

Sechs Milliarden Euro werden benötigt

Wie das Finanzministerium am Montagabend in einer Aussendung mitteilte, waren beim Krisengipfel zumindest Beamte der Stadt Wien anwesend – neben Vertretern der Bundesregierung, von Wien Energie und Energieexperten. Am Montag werden „die Gespräche zwischen der Bundesregierung und Wien fortgesetzt. Es gibt viele unbeantwortete Fragen“, sagte er. Jedenfalls werde in einem Schreiben von Finanzstadtrat Hanke „der akute Finanzbedarf der Stadt zur Übertragung auf die Wiener Stadtwerke GmbH und die Wien Energie GmbH“ auf eine finanzielle Notlage von sechs Milliarden Euro geschätzt, teilte das Finanzministerium mit.

Misstrauensantrag gegen die Wiener Regierung?

Sowohl für die ÖVP als auch für die Grünen stehen nun die Stabilisierung des Unternehmens und die Versorgungssicherheit für die zwei Millionen Kunden von Wien Energie im Vordergrund. Letzteres ist auch dem Eingreifen der Bundesregierung zu verdanken. Danach müssten aber Fragen der politischen Verantwortung geklärt werden, wie Wölbitsch sagte. Gäbe es ein „schlechtes Management“, würde man daran denken, der Wiener Stadtregierung das Vertrauen zu entziehen. Kraus schloss einen Misstrauensantrag gegen Hanke oder andere Mitglieder der Wiener Regierung nicht aus. „Alle parlamentarischen Mittel“ werden genutzt, um Transparenz zu gewährleisten.

Grüne: City hat schon dreimal geholfen

Kraus sprach von einer „Vertuschung“ der Wiener SPÖ, die „das Problem verzögert“ habe. Denn die Stadt Wien wusste offenbar schon lange um die Liquiditätsprobleme von Wien Energie. Mindestens dreimal habe die Stadt schon “mit hohen Millionen geholfen”, sagte Kraus. Und das, ohne jemals den Stadtrat und die Opposition zu informieren. Insgesamt sollen es laut Grünen insgesamt zwei Milliarden Euro gewesen sein. Laut Finanzministerium ging es um 1,75 Milliarden, die zur “Sicherung zukünftiger Lieferverträge” notwendig seien und von der Gemeinde Wien noch aufgebracht werden könnten. Allerdings benötigt die Stadt Wien für den weiteren “voraussichtlichen Förderbedarf” die Hilfe des Bundes. Ebenso wie die ÖVP stellten auch die Grünen die Unternehmensstrategie und Einkaufspolitik von Wien Energie in Frage. Man frage sich, warum andere Anbieter in Österreich “nicht annähernd so hohe” Kostensteigerungen verlangen wie Wien Energie. Die ÖVP kritisierte, dass Wien Energie zu 100 Prozent im Besitz der Stadt ist. Für die Grünen ist das Problem jedoch nicht die Eigentümerstruktur, sondern die fehlende Kontrolle.

Die FPÖ will eine Sondersitzung des Nationalrats

Auch Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp forderte von SPÖ-Bürgermeister Ludwig eine “sofortige Erklärung”, es sei schwer vorstellbar, dass eine solche Wirtschaftskrise über Nacht entstehen könne. Auch FPÖ-Obmann Herbert Kickl forderte am Montag eine Sondersitzung des Nationalrates zu den finanziellen Turbulenzen bei Wien Energie. Ein Drittel der Abgeordneten wird benötigt, um in der laufenden Sommerpause eine Notsitzung einzuberufen. Da die FPÖ diese nicht habe, appellierte Kickl an die anderen Fraktionen, den Antrag zu unterstützen. Es forderte auch eine vollständige Klärung und einen Statusbericht für alle inländischen Stromversorger mit Bezug zum Markt. „Die Rote Wien Energie hat offenbar im großen Stil auf dem Energiemarkt gezockt und spekuliert – und das mit Steuergeldern“, sagte der FPÖ-Präsident. Nun stellt sich die Frage, wie es anderen Energieversorgern geht, sagte Kickl. Bei anderen Anbietern ist laut Finanzminister Magnus Brunner eine ähnliche Situation nicht eingetreten.