Im Vergleich zu Männern sterben Frauen häufiger an einem Herzinfarkt und interpretieren dessen Symptome oft falsch. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) haben Forschende in Zürich, London und Graz eine neue Risikobewertung entwickelt.
29.08.2022 17.24
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Anders als bei Männern, die meist einen schmerzhaften Druck in der Brust verspüren, der sich auf den linken Arm ausbreitet, verursacht ein Herzinfarkt bei Frauen häufig Bauchschmerzen, die in den Rücken ausstrahlen oder Übelkeit und Erbrechen. Eine Fehleinschätzung dieser Symptome kann verheerende Folgen haben.
Daten von über 420.000 Patienten
Forschende in Zürich, London und Graz analysierten in ihrer wissenschaftlichen Studie Daten von mehr als 420.000 Patienten mit der häufigsten Form des Herzinfarkts aus ganz Europa. „Die Studie zeigt unter anderem, dass die etablierten Risikomodelle, die das aktuelle Patientenmanagement steuern, bei Frauen weniger genau sind und eine Unterbehandlung weiblicher Patienten begünstigen“, sagt der österreichische Arzt Florian Wenzl, Erstautor, der am Zentrum für Molekulare Medizin arbeitet der Universität Zürich. „Mit maschinellem Lernen und den größten Datensätzen in Europa haben wir einen neuen Risiko-Score entwickelt, der geschlechtsspezifische Unterschiede im Risikoprofil berücksichtigt und die Vorhersage der Sterblichkeit bei Frauen und Männern verbessert“, hieß es.
Eine neue Ära wurde eingeläutet
Weibliche Patienten haben eine höhere Sterblichkeitsrate als männliche Patienten, wobei Altersunterschiede bei der Aufnahme und bestehende Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Diabetes außer Acht gelassen werden. „Berücksichtigt man diese Unterschiede statistisch, weisen Frauen und Männer jedoch eine ähnliche Sterblichkeitsrate auf“, erklärt Wenzl-Institutskollege Thomas Lüscher. „Unsere Studie läutet das Zeitalter der künstlichen Intelligenz in der Behandlung von Herzinfarktpatienten ein“, sagte Wenzl. Moderne Computeralgorithmen können aus großen Datensätzen lernen und genaue Vorhersagen über die Prognose einzelner Patienten treffen. Und diese wiederum sind der Schlüssel zu personalisierten Behandlungen. Auch Sereina Herzog vom Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Dokumentation der Medizinischen Universität Graz beteiligte sich an der Studie, die im renommierten Fachjournal „The Lancet“ veröffentlicht wurde.