Am Abend ergänzte von der Leyen bei einem Auftritt mit Finanzminister Robert Habeck (Grüne) in Berlin: „Wir brauchen ein Notfalltool, das schneller arbeitet. Wir reden seit Wochen.” Eine “tiefgreifende Strukturreform des Strommarktes” soll Anfang nächsten Jahres beginnen.
Der Wirtschaftsminister ist der Ansicht, dass jede Reform des Strommarktes mit Vorsicht erfolgen sollte. „Wir machen hier Dinge, die normalerweise zwei Legislaturperioden dauern würden“, sagte der Grünen-Politiker. Es musste ein Mechanismus entwickelt werden, der es billigeren Energieformen ermöglicht, die Verbraucher zu erreichen.
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Vor Herbst und Winter sagte der Kommissionspräsident auch, dass es sehr wahrscheinlich sei, dass Putin Erdgas auf Null drosseln werde. “Wir gehen vom Worst-Case-Szenario aus und müssen es tun.”
Auf dem europäischen Strommarkt werden die Preise derzeit hauptsächlich von Gaskraftwerken bestimmt. Seit der Erdgaspreis im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine stark gestiegen ist, ist auch Strom teurer geworden. Eine Reform des europäischen Strommarktes könnte diesen Mechanismus umkrempeln, damit Verbraucher beispielsweise für günstigen Strom aus Sonne und Wind weniger bezahlen.
Finanzminister Habeck hatte bereits am Sonntag in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg erklärt, dass die Preise im Energiemarkt von den Kosten entkoppelt werden sollten. Derzeit werden Erzeuger mit niedrigeren Kosten, wie Wind- oder Solarenergie, immer noch genauso bezahlt wie teurere, wie Betreiber von Gaskraftwerken. „Dass der höchste Preis immer die Preise für alle anderen Energieformen bestimmt, könnte sich ändern“, sagte Hambeck. “Wir arbeiten hart daran, ein neues Marktmodell zu finden.”
Allerdings muss die Bundesregierung darauf achten, nicht zu stark einzugreifen. „Wir brauchen funktionierende Märkte und müssen gleichzeitig die richtigen Regeln aufstellen, damit Marktpositionen nicht missbraucht werden“, sagt Habeck.
Scholz ist offen für Energiepreisbremsen auf EU-Ebene
Auch Bundeskanzler Olaf Solz (SPD) forderte am Montag “strukturelle Veränderungen”, um die Energiepreise zu senken. Er sei offen für eine Energiepreisbremse auf europäischer Ebene. Die heutigen Strompreise seien “nicht zu rechtfertigen”, sagte die Kanzlerin auf die Frage, ob sie für eine Preisobergrenze sei. Südliche EU-Staaten wie Spanien und Griechenland fordern seit Monaten Markteingriffe. Bisher sind sie aber unter anderem am deutschen Widerstand gescheitert. Lesen Sie auch Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer fordert eine Entkopplung der Strompreise von den Gaspreisen in der EU, der Strompreis solle “näher an den realen Produktionskosten” liegen, sagte Nehammer am Sonntag. Bei einem von der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft angekündigten Dringlichkeitstreffen der EU-Energieminister nächste Woche werde auch die Entkopplung auf der Tagesordnung stehen, kündigte Nehammer an. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte am Sonntag, die Bundesregierung müsse die steigenden Strompreise „mit aller Eile“ angehen.
Kritik an der Gasabgabe
Gleichzeitig wurde der Finanzminister wegen der Erdgasabgabe kritisiert. Politiker von SPD und FDP baten ihn, noch vor der Kabinettssitzung am Dienstag ein überarbeitetes Konzept auszuarbeiten. „Manuelle Fehler sollten bis zur Kabinettssitzung beseitigt sein“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr der Bild. Die Erdgasabgabe dürfe “keinesfalls zu Mehrerträgen für die Unternehmen führen”. „Wir müssen aufpassen, dass staatliche Eingriffe die Energiekrise nicht verschlimmern“, warnte Durr. „Ziel unserer Maßnahmen sollte es sein, die Energieversorgung im Herbst und Winter sicherzustellen.“ Daher sei es unabdingbar, „die Energieversorgung zu erhöhen, auch durch Verlängerung der Laufzeit von Kernkraftwerken“. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner sagte der Bild, die Kabinettssitzung in Meseberg sei “der richtige Ort und der richtige Zeitpunkt, um die Gasumlage neu zu verhandeln”. Die derzeit geplante Zuteilung sei „unfair: Weil sie Unternehmen, die sie nicht brauchen und über die Jahre Millionen gemacht haben, eine Chance auf Zusatzgewinne biete. Gleichzeitig verschärft es die sozialen Schwierigkeiten von Millionen von Verbrauchern.” SPD-Chef Lars Klingbeil hatte zuvor dem Bundesfinanzminister der Grünen “technische Fehler” beim Bau der Gaskonzession vorgeworfen. Habeck versprach am Sonntagabend im ZDF-„heute journal“ erneut eine Überprüfung der Gasumlage und verteidigte gleichzeitig die geplante Maßnahme zur Stützung des Energiemarktes grundsätzlich. Lesen Sie auch Die Gasabgabe sei „ein unbequemer Schritt, eine unbequeme Entscheidung, aber eine notwendige Entscheidung“, sagte Habeck dem ZDF. „Unangenehm“ ist allerdings, dass Unternehmen sie sozusagen als Trittbrettfahrer ausnutzen, um Rechnungen zu stellen, Unternehmen, die das gar nicht brauchen. “Wir werden dieses Problem lösen”, versicherte Habeck. Die Gaserhöhung soll Unternehmen entlasten, die wegen begrenzter Lieferungen aus Russland teures Erdgas woanders einkaufen müssen, um ihre Verträge zu erfüllen. Damit sollen Insolvenzen und Lieferausfälle von Unternehmen verhindert werden. Private Haushalte und Unternehmen zahlen ab Oktober den Zuschlag von 2,4 Cent pro Kilowattstunde, die Mehrwertsteuer auf den Gasverbrauch sinkt auf 7 Prozent. Von der Abgabe profitieren nach den aktuellen Regelungen auch Unternehmen, die in anderen Wirtschaftszweigen nicht in finanzielle Schwierigkeiten oder gar hohe Gewinne geraten. Hier können Sie sich unsere WELT-Podcasts anhören Zur Anzeige der eingebetteten Inhalte ist Ihre widerrufliche Einwilligung zur Übermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich, da die Drittanbieter der eingebetteten Inhalte diese Einwilligung benötigen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem Sie den Schalter auf „on“ stellen, erklären Sie sich damit einverstanden (jederzeit widerrufbar). Dies umfasst auch Ihre Zustimmung zur Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten an Drittländer, einschließlich der USA, gemäß Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe a DSGVO. Hier finden Sie weitere Informationen dazu. Ihre Einwilligung können Sie jederzeit über den Schalter und über den Datenschutz unten auf der Seite widerrufen.